Die
25jährige Li Ping ist überglücklich.
Ganz in Weiß gehüllt betritt sie am Arm
ihres gleichaltrigen Bräutigams, Wang Yuming,
den Festsaal des Shangwai-Hotels. Knapp 120 Gäste
sind geladen. Mehr als 20.000 Yuan, rund 2.000 Euro,
kostet die gesamte Veranstaltung mit Büfett und
Zeremonienmeister. Das meiste davon haben sie selber
bezahlt. Noch ganz begeistert von der Anfahrt in einer
schwarzen Stretchlimousine nehmen die beiden erste
Glückwünsche entgegen.

Das
Hochzeits-paar an der Torte |
Heiraten
in China wird nicht nur immer aufwendiger, ab dem
1. Oktober wird es auch einfacher. Der Staatsrat verabschiedete
vor kurzem ein neues Ehegesetz, das entscheidende
Neuregelungen enthält. War es zuvor nötig,
eine zusätzliche Heiratserlaubnis des Arbeitgebers
oder des Einwohnerkomitees einzuholen, so genügt
nun eine eidesstattliche Erklärung über
den Familienstand. Nach den neuen Vorschriften benötigen
Heiratswillige darüber hinaus lediglich Personalausweis
und den Nachweis eines ständigen Wohnsitzes,
um ein Ehe-Zertifikat zu erhalten. Die früher
erforderliche medizinische Vor-Untersuchung entfällt
ebenfalls. Für Xu Anqi, Professorin an der Akademie
für Sozialwissenschaften in Shanghai, verschwinden
damit Vorschriften, die längst zu fragwürdigen
Praktiken geführt haben.
„In fact in most of the regions, especially
in the countryside and in the villages, people don´t
have a chance to do the check-up anyway, because it
costs money and time to travel to the hospital. The
pre-marriage physical check-up and the marriage registration
have been unsed as excuses to levy additional charges.
In some areas, they charge people a 'family-planning
guarantee', if the couple gives birth to more than
one child, they will lose the money, some even lose
the money, if they give birth in other towns.“
Im
Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung des Landes
herrscht nun auch auf dem Gebiet der Ehegesetzgebung
mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung.
Scheidungsverfahren werden mit den neuen Regelungen
ebenfalls vereinfacht. Professor Xu bezweifelt jedoch,
ob dadurch die Zahl der Scheidungen ansteigen werde.
Die Scheidung als familiäre Schande, in den Städten
ist sie längst akzeptiert. Auf dem Land wird
sich hingegen kaum etwas ändern, meint Frau Xu.
„In the countryside, after a woman is married,
she will move to live with the man´s family.
If she divorces she will no longer have a place to
live, she will have to move back to her parents´
home, which probably is occupied by her brothers´
families. The sisters-in-law probably don´t
want to have her living there. „A married woman
is like spilt water“, is a saying in the countryside.
So she has to find a new home quickly, which for a
divorced woman is already difficult and almost impossible
for a single mother.“
Trotz der vereinfachten Ehevorschriften
wird sich auch an der sinkenden Heiratsrate kaum etwas
ändern. Waren es 1981 noch 280.000 Paare, die
sich das Ja-Wort gaben, so schlossen in den letzten
Jahren lediglich rund 90.000 Paare den Bund der Ehe.
Zwar täuschen diese Zahlen, kehrten mit dem Ende
der Kulturrevolution anfangs der 80er doch viele Heiratswillige
in die Städte zurück. Die gesunkenen Zahlen
heutzutage sind eher ein Ergebnis der Ein-Kind-Politik.
Doch geht die Verwestlichung unaufhaltsam weiter.
In Chinas großen Städten wie Peking, Shanghai
oder Kanton, wo mittlerweile mehr als eine Million
Singles leben, gibt es bereits den Trend, ohne Trauschein
zusammenzuleben. In Zeiten einer boomenden Marktwirtschaft
sind Sex vor der Ehe oder häufigere Partnerwechsel
keine Tabus mehr.
Von den geänderten Ehevorschriften
werden letztendlich vor allem Wanderarbeiter profitieren.
Der mitunter lange und mühsame Weg zurück
in die Heimat entfällt. Sie arbeiten stattdessen
weiterhin in der Stadt und sparen eifrig auf den großen
Tag, wenn sie selbst in einer schwarzen Stretchlimousine
sitzen werden.
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