Gestiegenes Sicherheitsbewusstsein lässt Hard- und Softwaremarkt wachsen wie noch nie
 

Die Computer- und Softwareindustrie in China boomt. Zu verdanken hat sie das vor allem zwei Viren.

Die Lungenkrankheit SARS bescherte den chinesischen Hardwareherstellern nach offiziellen Angaben in der ersten Jahreshälfte ein Umsatzwachstum von rund 30 Prozent. Weil fast alle Schulen in Peking kurzfristig schließen mussten, nutzten sie das Internet, um den Unterricht fortzusetzen. Viele Familien entschieden daraufhin, einen PC zu kaufen. Die Verkaufszahlen für Computer stiegen um fast zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahreswert.


Besucher der CeBITAsia 2003

Chinesische Software-Firmen hatten bereits im vergangenen Jahr zugelegt und beherrschen inzwischen 50% des Marktes. Der Computer-Wurm „Blaster“ alias „Lovsan“, der im August Millionen Computer weltweit lahm legte, beschleunigt die Aufholjagd chinesischer Software-Firmen noch. Denn auch die Nachfrage nach Sicherheitsprodukten steigt. Hinzu kommt, dass der Staatsrat erst im vergangenen Monat beschlossen hatte, alle Behörden zukünftig nur noch mit heimischer Software auszustatten.
Doch die Softwareindustrie hat ein Problem. Der staatlichen Förderung steht eine Raubkopienrate von 92% gegenüber. Urheberrechte, zu denen sich China mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation 2000 bekannt hat, werden bisher so gut wie gar nicht beachtet.
Oliver Winzenried, Inhaber einer Karlsruher Firma für Sicherheitstechnik im Bereich Softwarelizenzen und Aussteller auf der kürzlich zu Ende gegangenen CeBITAsia, erkennt jedoch bereits einen Sinneswandel auf dem heimischen Softwaremarkt.

"Früher wurde ausländische Software kostenlos genutzt, das war im Interesse aller, heute wird sehr viel Software in China entwickelt für den lokalen eigenen Markt und jedes neue Unternehmen, das hier gegründet wird, weiß genau, um hier erfolgreich zu sein, muss es die Produkte verkaufen und das ist ohne Schutz nicht möglich und hier rechnen wir uns einen sehr großen und stark wachsenden Markt für unsere Produkte aus."

Seit Anfang September machen überdies die Behörden in Peking, Shanghai, sowie in den Provinzen Sichuan und Guangzhou mit einer einmonatigen Kampagne gegen Softwarepiraterie mobil. Häufig berichten die chinesischen Medien von Razzien, bei denen bis zu 100.000 CDs pro Tag vernichtet werden.
Ein chinesischer Hersteller für Sicherheitssoftware, der kürzlich auf der CeBITAsia ausstellte, unterstützt die Aktion.

"Die Regierung hat bereits etliche Bestimmungen erlassen, um die Piraterie zu verhindern. Es wurden gezielt Vorschriften verabschiedet, um Software-Raubkopien zu unterbinden. Dennoch ist dieses Phänomen in China nach wie vor weit verbreitet. Zum Beispiel sieht man viele fliegende Händler auf der Straße. Ich wünsche mir, dass die Regierung noch mehr Energie in die Zerschlagung der Raubkopie-Industrie steckt. Grundsätzlich denke ich, dass Softwarehersteller zu ihrem eigenen Schutz unsere Produkte nutzen sollten."

Haben chinesische Softwarehersteller trotz der hohen Piraterierate bereits 50 Prozent des Marktes erobert, so liegen Hardwareproduzenten im Bereich Sicherheit noch weit zurück. Ausländische Unternehmen wie Cisco oder Netscreen, mit 15% Marktanteil Spitzenreiter, genießen unter chinesischen Firmenkunden einen besseren Ruf als heimische Hersteller. Ausländische IT-Unternehmen haben in der Tat in vielen Bereichen einen Entwicklungsvorsprung von mehreren Jahren. Deutlich wird der Unterschied beispielsweise bei einer Firewall. So können ausländische Produkte rund 1000 User versorgen, inländische lediglich ein Zehntel davon.
Den Computerwürmern sei Dank ist die Nachfrage nach Antivirus-Hardware in diesem Jahr auf 1,2 Mrd. Yuan, rund 126 Mio. Euro, gestiegen, das sind Zuwächse von mehr als 75% im Vergleich zum Vorjahr.

Heimische Hardwarehersteller müssen sich beeilen, um bei einer derartigen Nachfrage nicht zu spät zu kommen.


[zurück zur übersicht]

 
 

© oliver l. radtke 2003, letzte änderung: 19/10/03