Montag, 26. Januar 2009

Ein lautstarker Neujahrsgruß!



Am 26. Januar, drei Minuten nach Zwölf, unter sicherheitstechnisch bedenklichen Bedingungen aus meinem Schlafzimmerfenster aufgenommen.

Ich wünsche allen Lesern ein erfolgreiches, gesundes und glückliches Jahr des Ochsen!

Donnerstag, 22. Januar 2009

Des Rätsels Lösung - Obama auf CCTV ausgeblendet

Nachdem ich gestern (bewusst ohne Proxyserver) vergeblich versucht hatte, die Amtsantrittsrede des 44. Präsidenten der USA über Youtube aufzurufen, brachten Agenturmeldungen ein wenig Licht in das kleine Fernsehspiel.

Die live im chinesischen Staatsfernsehen CCTV übertragene Rede (wobei live hier eine bewusste Verzögerung von mehreren Sekunden bedeuten kann) wurde simultan gedolmetscht. Obama begann einen Satz, der an Amerikas siegreiche Auseinandersetzungen früherer Tage erinnern sollte: "Recall that earlier generations faced down fascism and communism ..."
Die Simultandolmetscherin übersetzt diese Phrase brav. Als sie gerade den Begriff "Kommunismus" 共产主义 über die Lippen gebracht hat, wird ihr der Ton abgedreht und eine leicht verwirrte Moderatorin über das Live-Bild geblendet. Sie muss die aus Washington zugeschaltete Korrespondentin Wu Hanyin zwei Mal beim Namen rufen, bevor diese reagiert. "Mit welchen wirtschaftlichen Problemen wird sich Obama auseinandersetzen müssen?", fragt die Moderatorin improvisiert, dem Duktus nach zu urteilen offensichtlich gerade erst über den Knopf im Ohr aus der Regie dazu angewiesen.
Es erstaunt doch immer wieder wie gut das System der Selbstkontrolle funktioniert, wie nervös Studioregisseure sein müssen, dass selbst ein kleiner geschichtlicher Verweis für den Abbruch einer Live-Übertragung sorgen kann.

Hier ist der besagte Moment auf Youtube zu sehen.



Und, was das Fernsehen kann, können/müssen Onlineredakteure ebenfalls:
Chinas Nachrichtenportale schlossen den entsprechenden Abschnitt einfach ganz aus.

Mittwoch, 21. Januar 2009

20. Januar 2009: Barack Obamas Amtsantrittsrede auf Youtube


(Versuch eines Seitenaufrufs am 21. Januar 2009, 13:45, in meiner Pekinger Wohnung)

Dienstag, 20. Januar 2009

Vorderhofgeflüster.

Ein spätabendliches Hörspiel.


Es wird Abend in Beijing und der Wind der amurösen Abenteuer streicht durch die Häuserblocks der Stadt. In China, einem Land mit der gefühlten Handydichte von 102 Prozent, haben Mobiltelefone Hochkonjunktur, besonders Abends, sobald Büro-Angestellte ihre Schreibtische verlassen. Ehefrauen dirigieren ihre Privattaxi fahrenden Männer zum Haupteingang, Schüler und Studenten verabreden sich zu einem KFC-Burger, Alleinstehende zu einem Date. Mit dem Einbruch der Dunkelheit fallen auf Beijings Straßen die Nichttelefonierer auf. Und je später der Abend, desto höher die Gspusi-Dichte der in unüblich sanfter Lautstärke vorgetragenen Gesprächsfetzen.

Ich bin auf der Heimfahrt um 2 Uhr morgens. Einen langen, produktiven Bürotag hinter mir, radele ich auf das Tor meines Apartmentkomplexes zu. Da die Privatstraße hinter dem Tor scharf nach links abbiegt, muss ich beim Einfahren in das Areal stark abbremsen. Bei der heutigen professionell ausgeführten 90 Grad Körper-und-Drahtesel-Drehung in Slowmotion, die einer Regine Mösenlechner alle Ehre gemacht hätte, vernehme ich eine Männerstimme, die in das Mikrofon seines tiefblau leuchtenden Mobiltelefons flüstert: "Ta zhidao women ma?"

Nun ist Chinesisch an sich eine einfache Sprache, kein Zeitformen, keine Deklinationen, ein nacktes (und damit in sich wunderschönes) Idiom. Doch ohne Schriftzeichen vor Augen auch mächtig kopfschmerzfördernd. Der Eingangssatz ist ohne Kontext nicht zu verstehen. Ich beginne zu grübeln. Meint mein turtelnder Nachbar nun他知道我们吗 oder 她知道我们吗? Dem aufmerksamen Leser fällt der Unterschied sofort ins Auge: 他ta männlich oder 她ta weiblich, also übersetzt in etwa: Weiß sie oder er von uns?
Nun hält hier ein junger Mann den Hörer, also überlege ich mir, dass sein Gesprächspartner wahrscheinlich weiblich ist. Reden sie über ihren Ehemann, ihren Freund? Was besprechen sie? Dass es langsam Zeit wird, ihr abendliches Telefon-Techtelmechtel publik zu machen? Will mein Nachbar (oder sie) klare Verhältnisse?
In meinem dreieinhalb Sekunden währenden Lauschangriff ist es mir nachvollziehbarerweise nicht gelungen, das Rätsel dieser Ménage a trois zu lösen. Sicher ist nur, dass ich bei der Komplexität derartiger (nicht nur chinesischer) Verwurschtelungen auch in Zukunft Gelegenheit haben werde, Telefon und blau beleuchteten Nachbar beinahe in der Toreinfahrt umzunieten.

(第三者 disanzhe (wörtlich: der/die Dritte) ist das chinesische Äquivalent zu einem "fünften Rad am Wagen")

Montag, 19. Januar 2009

Geiz ist geil.

Teil meines Beijinger Alltags: die tatsächliche Umsetzung eines (theoretisch vorbildlich vorhandenen) Energiespargedankens in der chinesischen Hauptstadt.

Beispiel: ein Lichtschalter vor dem Aufzug im Erdgeschoss meiner Behausung.

Vor der morgendlichen Begegnung mit olr's Zeigefinger:



Nach der morgendlichen Begegnung mit olr's Zeigefinger.

Samstag, 10. Januar 2009

Beijing vor 78 Jahren.

Das Travel Film Archive präsentiert im Netz unter anderem dieses S/W-Juwel aus dem Jahr 1931. Die neun Minuten lange Reportage "Ghosts of Empire: Peking" stammt aus der Feder des Produzenten William M. Pizor und ist Teil der Serie "Port O’Call", die dem US-amerikanischen (Kino?)Publikum neben Beijing auch andere Hauptstädte der Welt näher brachte.

Wortwahl und Attitüde sind Kinder ihrer Zeit. Die Kraft der Bilder bleibt davon unberührt. Viel Vergnügen.



Weitere historische Videos aus Beijing und anderen Städten Chinas finden sich kommentiert auf Quirky Beijing.

Donnerstag, 8. Januar 2009

(Fast) echte Luxusschlappen.


山寨 shanzhai - dieser Begriff ist in China weithin bekannt. Zwei Schriftzeichen - ein landesweites Phänomen. Wörtlich bedeutet 山寨 "Bergfestung", und feste gearbeitet wird in der Tat, in den Bergen und sonstwo, und zwar an mehr oder weniger dreisten Raubkopien international namhafter Hersteller. Abgekupfert wird, was gut läuft: Zahnpasta, DVD-Spieler, Waschpulver, selbst Popstars sind, sobald sie einen entsprechenden Bekanntheitsgrad erreicht haben, urplötzlich doppelt auf dem Markt zu finden.

Meine persönliche 山寨-Neuerwerbung: zwei Puam-Schlappen für rund einen Euro fünfzig. Garantiert Puam. Die mit dem goldenen ... Puam ... halt.
Noch besser als der dreiste Buchstabendreher gefällt mir die Tatsache, dass Opas Fernsehschluffen noch nie sexier ausgesehen haben können. Thanks, China, for pimping my Pantoffeln.

P.S. Gleichzeitig präsentiere ich mit diesem Eintrag mein neues DIY-Fotostudio, aus dem ich in Zukunft weitere chinesische Alltagsgegenstände zu zeigen hoffe.

Dienstag, 6. Januar 2009

"Und hier bitte unterschreiben."


Zum neuen Jahr habe ich ein Konto bei einer chinesischen Bank eröffnet. Ich betrete die beinahe komplett gläserne Filiale und werde am oberen Ende der Rolltreppe von einem Empfangskomittee der Bank begrüßt.
Die Filiale ist erst vor kurzem eröffnet worden und auch das junge Empfangspersonal, ein Mann und eine Frau, sehen aus, als ob sie erst kürzlich in das seriös wirkende Garn ihrer Zunft gesteckt worden sind. Ihre Bewegungen sind ungelenk, immer wieder fallen sie im Gespräch aus der ihnen aufoktroyierten Rolle des ernsten, Seriosität versprühenden Rezeptionsduos heraus. Er murmelt ihr etwas zu, sie haut ihm spielerisch auf den Oberarm. Ich finde das (meist) sympathisch und symptomatisch allemal.
Täglich begegne ich Angestellten, Menschen in offizieller Funktion, in Geschäften, Büros, öffentlichen Gebäuden, die mit ihrer oft sehr steif wirkenden Uniform vor allem repräsentieren sollen: Banken, Kaufhäuser, Ladenketten. Doch ist diese Repräsentation für sie oft nur ein Spiel mit der Repräsentation, so als ob sie selbst noch immer Verwunderung darüber zeigen müssten, nun in dieser offiziellen Funktion tätig zu sein.

Und im Grunde haben sie Recht.

Die Repräsentation einer Bank, eines Kaufhauses ist ein Spiel, ein sehr altes sogar, nur haben wir Großnasen dieses Spiel so sehr verinnerlicht, dass es uns vielfach nur noch Stress bereitet, aber keinen Spaß mehr macht.

Und, so sehr es mich mitunter stört, wenn Kellnerinnen nur kichern und nicht klotzen können (könnte ich meine Essen haben, bevor morgen früh mein Flieger geht?), so sehr bin ich im Grunde dankbar für den wiederkehrenden Hinweis auf den Menschen hinter der Funktion.

Mit derlei Gedanken nehme ich am Ende der Kontoeröffnungsformalitäten meine Rolle als (tatsächlich) zufrieden gestellter Kunde wahr und drücke auf die vor mir blinkende Evaluationsleiste: Wonderful!

Sonntag, 4. Januar 2009

Chinesische Küche? War da mal was?


Manche Tage in Beijing beginnen mit einem Kopfschütteln. Besonders dann, wenn die Beißwerkzeuge gerade damit beschäftigt sind, eine Schüssel chinesischer Köstlichkeiten zu bearbeiten.
Eine schöne Nachricht zu Beginn des Jahres, eine Nachricht, deren Wert über ihren konkreten Inhalt weit hinausreicht: der Michelin Guide entdeckt China! (Siehe zum Beispiel IHT.com für die Story: Chinese chef gets top Michelin ranking).

"Glückwunsch", möchte man da zurufen, "dass Du, kleiner Haufen ergrauter Feinschmecker, es im gefühlten Jahr 4011 nach der Gründung chinesischer Gaumenfreuden geschafft hast, über den eurozentristischen Suppentellerrand zu blicken."

Ich kann nur gerade nicht. Mein Mund ist voll mit einer sterneverdächtigen Portion Jiaozi.

Freitag, 2. Januar 2009

Aus eins mach zwei.

(Quelle: http://www.welt.de/vermischtes/article1229390/Tattoo_Quiz.html)

Zum Einstand eines neuen Jahres, in dem dieses schlimm vernachlässigte digitale Sudelbuch sich einer Reanimierung erfreuen darf, gehen wir gleich in medias res. Welt Online, nicht gerade berühmt für hochqualitative China-Berichterstattung, liefert auch mit obiger Bildunterschrift weniger profunde Kenntnis chinesischer Schriftzeichen.
Liebe BU-Produzenten, diese "zwei Schriftzeichen" sind tatsächlich nur eins: ji1 姬, was nichts anderes als Konkubine bedeutet.
Warum sich Sarah Michelle Gellar, dem Fernsehpublikum bekannt durch die Serie "Buffy - Im Bann der Dämonen", ausgerechnet dieses Zeichen ausgesucht hat und warum der Tattooshop-Besitzer dermaßen ungelenke Hautritzereien produziert, dass ungeübte Leser oder gestresste Online-Redakteure sie für zwei Schriftzeichen halten können, das, liebe Leser, ist wieder eine ganz andere Geschichte.